Bericht aus dem Fränkischen Tag vom 17.01.2012
Nur Auslöser, aber nicht die Ursache
Urteil Das Bayreuther Sozialgericht weist die Klage des Feuerwehrkommandanten Michael Henkel zurück. Die Gemeindeversicherung muss nicht für die Folgen seiner Knieverletzung zahlen.
Spätestens seit gestern ist der Weilersbacher Feuerwehrkommandant Michael Henkel um eine Illusion ärmer: „Ich bin seit 20 Jahren bei der Feuerwehr und jeder hat immer gesagt, ihr habt dort den besten Versicherungsschutz“, sagte Henkel. Dass dem aber offensichtlich nicht so ist, hat er jetzt schwarz auf weiß. Das Sozialgericht in Bayreuth wies gestern Henkels Klage gegen den Gemeindeunfallversicherungsverband (GUVV) zurück.
Henkels hatte sich am 19. Februar 2010 schwer am Knie verletzt, als er ein Feuerwehrfahrzeug mit Schläuchen beladen hatte. Wenige Tage später entfernten Ärzte im Klinikum Forchheim dem ehrenamtliche Feuerwehrler fast den kompletten Meniskus im linken Knies. Henkel hatte nun gegen den GUVV geklagt, weil dieser es nach dem Ferngutachten eines Münchner Arztes abgelehnt hatte, sowohl die Operationskosten als auch mögliche Folgeschäden zu übernehmen. Zu einem Urteil ist es vor dem Bayreuther Sozialgericht indes nicht gekommen. Richter Volker Munius ließ aber keinen Zweifel daran, wie der Gerichtsentscheid ausgehen wird, der den Parteien in den nächsten Tagen zugestellt wird.
Gutachter sind sich einig
Munius sah nach einem weiteren ärztlichen Gutachten, das von einem Sportmediziner stammt, als erwiesen an, dass der Unfall zwar Auslöser für die schwerwiegende Meniskusverletzung war – nicht aber die Ursache. Beide Mediziner waren demnach zu dem Ergebnis gekommen, dass Henkels Meniskus bereits vor dem Unfall geschädigt gewesen sein muss. Aus diesem Grund entließ Munius den GUVV auch aus der Pflicht, für den Schaden und die Folgeschäden an Henkels Knie aufkommen zu müssen.
Munius bezeichnete Henkels schwere Verletzung als recht ungewöhnliche Folge einer Meniskusverletzung. Denn ein Umknicken beschädige nicht den Innenmeniskus. Dies könne dann nur eintreten, wenn ein Bewegungsablauf abrupt unterbrochen werde, oder ein sogenanntes Verwindungstrauma vorliege. Die Rissform, die im Nachhinein in Henkels Knie festgestellt worden ist, kann laut Munius nicht die Foge äußerer Einwirkung sein. „Es braucht eine ganz schwere Gewalteinwirkung um den Meniskus so zu zerreißen“, sagte der Vorsitzende Richter. In diesem Fall hätte man in seinen Worten auch Begleitverletzungen feststellen müssen, die bei Henkel aber nicht diagnostiziert worden seien. Kurzum: Henkels Wegknicken auf dem Trittblech des Feuerwehrautos könne nicht die Ursache für die schwere Knieverletzung gewesen sein. Henkels Meniskus, so Munius, müsse schon zuvor geschädigt gewesen sein. Und für Vorschäden müsse die GUVV eben nicht haften.
Anwältin appelliert an Politik
Henkels Forchheimer Anwältin Shanti Ray-Voigt sprach von einem bayernweiten Präzedenzfall. Sie irritierte vor allem jene Formulierung, wonach das Wegknicken zwar der Anlass für Henkels Knieverletzung war, jedoch nicht die Ursache im naturwissenschaftlichem Sinne. „Die Ursache muss nach der Wesentlichkeit des Unfalls beurteilt werden“, so die Anwältin. Und wesentlich sei eben, das er in der Ausübung eines Ehrenamts passiert sei. Daher müsse die rechtliche, nicht die naturwissenschaftliche Seite bei der Entscheidung überwiegen. Außerdem kritisierte Shanti Ray-Voigt, dass der Sachverständige von Wahrscheinlichkeiten ausgehe. „Für eine Kausalität langt die Wahrscheinlichkeit“, entgegnete jedoch der Richter. Henkel selbst räumte ein, die medizinischen Fachbegriffe nicht zu verstehen. „Ich habe einen Fehltritt gemacht und konnte danach nicht mehr laufen“, sagte der 34-Jährige. Eine eventuelle Vorschädigung seines Meniskus sei ihm nicht bekannt gewesen. Probleme mit seinem Knie habe er vor dem Unfall jedenfalls nicht gehabt.
Henkels Anwältin Shanti Ray-Voigt sprach vor Gericht von einer offensichtlich bestehenden Versicherungslücke. Die Politik sei gefordert, diese alsbald zu schließen. Davon wollte Munius allerdings nichts wissen: „Ich werde ihnen keine politischen Aussagen in des Urteil reinschreiben“, so der Richter. Shanti Ray-Voigt empfahl Henkel nun, vor das Landessozialgericht zu ziehen. Dort dann unter Umständen mit einem medizinischen Gegengutachten.
Weitreichende Folgen
Für Kreisbrandinspektor Georg Henkel, der gleichzeitig der Vater von Michael Henkel ist, hat das Urteil weitreichende Folgen. Die Überzeugung, dass Feuerwehrleute bestmöglich versichert seien, stimme nicht mehr. Dieser Tatsache müssten sich auch andere Rettungsorganisationen stellen: „Das heißt im Klartext, dass jeder, der im ehrenamtlichen Dienst einen Schaden erleidet, das gleiche Problem hat“, sagte Georg Henkel. Dies sei umso unverständlicher, als man unlängst das Aktivenalter von 60 Jahre auf 63 Jahre erhöht habe.
Auch Weilersbachs Kommandant und Kreisbrandmeister Wolfgang Wunner versteht die Welt nicht mehr. „Jeder, der eine Vorschädigung hat, dürfte somit keinen Feuerwehrdienst mehr machen. Und wenn Vorschädigungen nicht bekannt sind, dürfte überhaupt keiner mehr Feuerwehrdienst leisten“, sagte Wunner.
In allen ehrenamtlichen Organisationen werde sich die Anzahl der freiwilligen Helfer erheblich reduzieren, fürchtet Wunner.

